Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) als neue Abmahngefahr für Shop-Betreiber?

Back 2018-10-04 13:24:06
Seit etwa vier Monaten gilt nun schon die EU-DSGVO. Viele Onlinehändler befürchten nach wie vor eine Flut von Abmahnungen. Daher haben wir den Rechtsanwalt Behrang Raji von HABEWI GmbH & Co. KG, Rechtsanwälte Beiler Karl Platzbecker & Partner zu diesem Thema zu Rate gezogen.

Viele befürchten noch immer – circa vier Monate nach dem Einschlag am 25. Mai 2018 – den Fallout „Abmahnwelle“. Dabei ist diese Angst nicht nur unisono bei Shop-Betreibern zu vernehmen, sondern bei den meisten kleinen und mittleren Unternehmen bzw. Vereinen. Bei dem beachtlichen Pflichtenkatalog, der mit jedweder Verarbeitung personenbezogener Daten einhergeht, ist die Gefahr, dass ein Verstoß gegen die DSGVO feststellbar ist, nicht von der Hand zu weisen. Mitbewerber könnten daher Hand in Hand mit Anwälten als Abmahner den ohnehin wackligen Boden der Rechtssicherheit noch mehr ins Schwanken bringen. Unabhängig davon, dass ein solches Vorgehen gerade jetzt, wo die Unsicherheit am größten ist, mehr gerächt als gerecht wäre, soll nachfolgend das Risiko einer tatsächlich drohenden Abmahnwelle eingeschätzt werden. 

Wer dürfte denn abmahnen? 

Abmahnbefugt wären im Besonderen Mitbewerber nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Für Anwälte wären solche Abmahnungen insofern lukrativ, dass Sie bei berechtigten Abmahnungen, die mehr oder weniger aus Textbausteinen bestehen, Ihre Gebühren über das Wettbewerbsrecht (§ 12 Abs. 1 S. 2 UWG) erstattet bekommen. Damit ein solches Vorgehen aber tatsächlich möglich ist, müssten die Mitbewerber sich auch eine Vorschrift aus der DSGVO stützen können, die gerade wettbewerbsrechtlichen Charakter hat. 

Relevante „Öffnungsklausel“ 

Art. 80 Abs. 2 DSGVO enthält eine sogenannte Öffnungsklausel. Von solchen sieht die DSGVO, die für alle Mitgliedstaaten verbindliches Recht setzt, eine Vielzahl vor. So können die Mitgliedstaaten von dem im Grunde harmonisiertem Recht Ausnahmeregelungen treffen, welche geeignet sind, im Besonderen kulturelle Unterschiede zu berücksichtigen. Nach dieser Öffnungsklausel wäre daher eine Regelung denkbar, nach welcher Organisationen ohne Gewinnerzielungsabsicht wie etwa Verbraucherschutzverbände eigenmächtig die Rechte der Betroffenen wahrnehmen können. Mit anderen Worten: Sie wären dann abmahnbefugt. Von Mitbewerbern ist dort nicht die Rede. 

Abschließenden Regelungsgehalt? 

Dennoch wird weiter diskutiert, ob wegen des Vorrangs des Unionsrechts bestehende nationale Regelungen keine Anwendung finden dürfen oder aber weitreichendere Regelungen des nationalen Rechts – die den Akteuren weitere Rechtsbehelfe in die Hand geben – angewendet werden dürfen. So sind einige der Auffassung, dass der Pflichtenkatalog der DSGVO Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG beinhaltet und Mitbewerber daher bei Verstößen abmahnbefugt seien. So könnte ein anderer Shopbetreiber den Konkurrenten bei fehlerhaften Datenschutzbestimmungen abmahnen lassen, was mit erheblichen Kosten für den Verletzer verbunden wäre. 

Gerade im Hinblick auf das in Art. 1 Abs.1 DSGVO ausdrücklich festgelegte Ziel, den freien Datenverkehr zu sichern, muss die DSGVO wettbewerbsrechtlichen Charakter haben. Denn durch die vermeintliche Vollharmonisierung verspricht sich die DSGVO, das Potenzial der Digitalisierung innerhalb der EU besser nutzen zu können. Eine klare Positionierung, die DSGVO sei per se marktverhaltensregelnd oder nicht, ist jedoch nicht möglich und muss im Einzelfall erfolgen. Bei einigen Pflichten ist das eindeutig, bei anderen wiederum nicht. Einigkeit besteht hier nicht. Vieles ist umstritten. So weit, so gut. Der Kapitel VIII der DSGVO sieht spezifische Rechtsbehelfe, Verfahren und Sanktionen vor. Für die Durchsetzung der Rechtsverletzungen sind in erster Linie die Datenschutzbehörden zuständig. Sollten bestimmte Normen der DSGVO drittschützend sein, kann der Mittbewerber seinen Anspruch nur dann auf § 3a UWG stützen, wenn nur so Rechtsschutzdefizite ausgeglichen werden. Das Vorhandensein spezifischer Sanktionsmechanismen nach der DSGVO schließen einen lauterkeitsrechtlichen Ansatz nicht per se aus, weil Ihr Anknüpfungspunkt nicht die Rechtsverletzung als solches ist, sondern die Auswirkung der Rechtsverletzung auf den Markt. Dies gilt aber nur dann – was insoweit auch unstreitig ist – wenn die DSGVO die Möglichkeit und den Umfang zivilrechtlicher Ansprüche von Mitbewerbern und Verbänden nicht abschließend regelt. So jedenfalls die Rechtsprechung des BGH. Die Art. 77 -84 DSGVO (Kapitel VIII Rechtsbehelfe, Haftung und Sanktionen) enthalten eine grundsätzlich abschließende Regelung. Eine Ausnahme davon sieht einzig Art. 80 Abs. 2 DSGVO vor. Diese Ausnahmeregelung ist eng auszulegen. Wenn selbst Verbänden, denen ausnahmsweise nach dieser Vorschrift eine Abmahnbefugnis zugesprochen werden kann, bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen, dann ist diese Ausnahmebefugnis erst recht nicht auf Mitbewerber zu erstrecken. Eine solche Sichtweise legt auch die unterschiedliche Schutzrichtung der Gesetze nahe: Die DSGVO möchte die Privatheit des Einzelnen schützen. Das UWG dient hingegen dem Schutz der Mitbewerber, Verbraucherinnen und Verbraucher sowie sonstiger Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. DSGVO-Verstöße – etwa fehlerhafte Datenschutzbestimmungen auf der Website – können daher nicht nach § 3a UWG verfolgt werden. Die Regelungen der DSGVO sind hinsichtlich der Sanktionsmöglichkeiten abschließend. Es bleibt daher abzuwarten, ob der Gesetzgeber aktiv wird und de lege feranda auf die DSGVO gestützte Abmahnungen ausdrücklich ausgeschlossen werden. Jedenfalls hat der Freistaat Bayern einen Gesetzesantrag in den Bundesrat eingebracht, womit der Abmahngefahr begegnet werden soll. Es gibt auch noch keine Rechtsprechung zu der Thematik. 

Insofern rate ich an, Abmahnungen trotz eines eher geringen Risikos ernst zu nehmen und anwaltlichen Rat einzuholen.

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